© Muzeum Pałacu Króla Jana III w Wilanowie
   |   17.03.2008

Imago Pietatis

IMAGO PIETATIS 

Giovanni Battista Cima da Conegliano
(um 1459/1460 - um 1517/1518)
Italien, Ende der neunziger Jahre des 15. Jh.
Öl, Tempera, zwei Pappelholzbretter; 53,5 x 38,5 cm
Inv. Nr. Wil. 1534

 

Cima, einer der herausragenden venezianischen Maler um die Wende vom 15. zum 16 Jahrhundert, ließ sich in seinem Schaffen von den Werken Giovanni Bellinis inspirieren, der unter Verwendung unterschiedlichster ikonographischer Symbole italienische Entsprechungen der kontemplativen Bildniskunst Nordeuropas schuf. Imago Pietatis gehört zum Typus des privaten Devotionalbildes, das sich seit Mitte des 15. Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreute, da es die vollkommene Harmonie der künstlerischen Form mit der sich damals entwickelnden religiösen Haltung repräsentierte. Das Bild konnte auch andere Bestimmungen erhalten, z.B. konnte es in der Bekrönung oder der Predella des Hauptblattes venezianischer Altäre untergebracht werden. Das Vorbild für solche Darstellungen war die wundertätige Ikone Imago Pietatis, aufbewahrt in der Kartäuserkirche Santa Croce in Gerusalemme in Rom, die Anfang des 14. Jahrhunderts in Byzanz entstand.

Die ikonographische Darstellung von Christus als Halbfigur, gestützt von der Mutter und dem Heiligen Johannes oder Engeln, seltener nur von der Mutter allein, ist ein typisches venezianisches Motiv. Ziel der dogmatischen Darstellung war nicht, eine Geschichte abzubilden, sondern die Kontemplation über das Geheimnis von Christi Tod und der Teilnahme Marias an der Erlösung anzuregen. Das „dramatische Aufhalten der Handlung" markiert den Übergang von der Erzählung zur Bildsprache. Das Bild soll die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das Wesentliche lenken.

Die Imago Pietatis aus Wilanów zeichnet sich durch einen außergewöhnlich tiefen Ausdruck aus; die emotionale Intensität wird bewusst durch die Harmonisierung gegensätzlicher Elemente verstärkt. Die in ihrer Botschaft sehr dramatische Szene ist von einer nachdenklichen Stimmung durchdrungen. Das Poetische wird durch das fließende Licht und die gedämpfte Farbgebung gesteigert. Die ausgewogenen Ausdrucksmittel intensivieren die innere Stimmung - die absichtliche Sparsamkeit der Farbtöne begünstigt die Gebetsandacht. Das warme, goldene Licht erzeugt eine farbliche Gesamtstimmung des Bildraumes. Es hebt die Figuren aus dem dunklen Hintergrund hervor, indem es ihnen Gestalt und Ausdruck verleiht: Das Antlitz Marias wird durch starke Lichtreflexe belebt, während das Licht auf dem idealisierten, von Spuren des Leidens befreiten Leib Christi flach wirkt. Cima hat der Darstellung einen tief lyrischen Stil verliehen, indem er einen besonderen Typ friedenserfüllter Gestalten darstellte, die in einem inneren, mystischen Glanz zu strahlen und in geheimnisvoll verzückter Stimmung zu erstarren scheinen. Der Stil ist charakteristisch für Cimas Gemälde und macht sie relativ leicht von Werken anderer Künstler unterscheidbar.

Die Bedeutungen durchdringen sich auf diesem Bild auf eigenartige Weise: die Gestalten sind fast am Bildrand untergebracht, ihre Monumentalität wird durch die tiefe Horizontlinie betont - solche Kunstgriffe sollten dem Betrachter die Personen des Dramas näherbringen. Gleichzeitig aber verwendete Cima eine auf Bellini zurückgehende traditionelle Komposition, in der es immer ein Element gibt, das das Bild von der wirklichen Welt abgrenzt. In diesem Fall handelt es sich um den roten Marmorsarg. Er hat auch eine andere Bedeutung - es ist der Opferaltar, auf dem die Erlösung stattfindet.